Erntedank in Zeiten des „Bio“ – Sprits

Gott sei Dank! Gott sei Dank für alle seine Gaben! Im Lied singen wir: „Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt, o Gott, von Dir, wir danken Dir dafür“. Am Erntedankfest bringen wir die Erntegaben zum Altar, frisch gebackenes Brot, frisch geerntete Früchte, aber auch „verarbeitete“ Ernte: Konservendosen zum Beispiel. Doch es geht ja um mehr als um die ursprünglichen Lebensmittel: es geht um alles, was wir haben, der Dank ist umfassend. Martin Luther hat das in seinem kleinen Katechismus zur Bitte „unser tägliches Brot gib uns heute” so gesagt: „Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben … gut Wetter, Friede, Gesundheit”.

Für alles, was wir haben, können und sollen wir Gott danken. Bei aller Zustimmung zu diesem Satz komme ich doch ins Stocken. Wir Menschen haben aus den guten Gaben Gottes Vieles gemacht, was nicht dem Leben dient, ja, was oft Leben zerstört, denken wir nur an die Produktion von Waffen. Der Dank für die gute Schöpfung Gottes und für seine Gaben nimmt uns in die Verantwortung, lebensdienlich mit ihnen umzugehen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist der sog. Biosprit. Die Beimischung von Kraftstoffen („Bio”-ethanol oder „Bio”-diesel) aus nachwachsenden Rohstoffen zum fossilen, endlichen Öl war als wichtiger Schritt zu nachhaltigem Konsum angesehen worden, der gleichzeitig den Klimawandel bekämpft. Sowohl unsere Regierung als auch die Europäische Union haben dazu Beschlüsse gefasst. So soll EU-weit der Agrodieselanteil an Kraftstoff bis 2020 auf 10 % erhöht werden. Da die EU wie auch andere Staaten mit entsprechenden Beschlüssen diese Mengen auf eigenen Agrarflächen nicht produzieren können, werden Agrokraftstoffe importiert werden müssen, noch weit über das gegenwärtige Maß hinaus.

Welche negativen Auswirkungen dies schon jetzt hat, zeigt u.a. das Beispiel Indonesien, zusammen mit Malaysia der weltweit größte Exporteur von Palmöl, das für die Produktion von „Bio”-diesel benutzt wird. Im Jahr 1985 gab es in Indonesien 600.000 ha Palmölplantagen, heute sind es ca. 9 Mio ha – und die Regierung plant weitere Palmölplantagen auf einer Fäche von 20 Mio (!) ha, dies auch als Reaktion auf die Zielvorgaben für die Beimischung von „Bio”-kraftstoffen durch die Industrieländer.

Was sind die Folgen dieser Entwicklung? Für die Anlage neuer Palmölplantagen wird im großen Maßstab Regenwald abgeholzt. In Indonesien sind über 100 Mio Menschen direkt oder indirekt von diesem Wald abhängig, sie leben vom Wald. Diese Menschen verlieren schon heute Schritt für Schritt ihre Lebensgrundlage, sie werden oft gewaltsam von ihrem Land vertrieben. Regenwälder sind darüber hinaus bedeutende Kohlenstoffspeicher, sie regulieren das regionale und das globale Klima. Der erhoffte klimaschonende Effekt des „Bio”-sprits verkehrt sich so in sein Gegenteil. Auch die massive Freisetzung von Kohlenstoff durch umgewandelte Torfböden trägt zu dieser gefährlichen Entwicklung bei.
Fazit: die erhofften Energie- und Klimaziele werden durch den Einsatz von Palmöl nicht erreicht. Im Gegenteil, die Situation des Weltklimas verschlechtert sich, dazu kommen die gravierenden sozialen Folgen.

Wie verhalten wir uns „erntedank-gemäß”? Weniger (schnell) Auto fahren, bei einer Autoanschaffung die Grenze von 120 g/km beachten, mehr zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren, mehr öffentliche Verkehrsmittel benutzen, weniger oft fliegen (und wenn doch, wenigstens eine Kompensation bezahlen (www.atmosfair.de)). Und: kritisch die (wirtschafts)politische Diskussion um „Bio”-Sprit verfolgen, der eigentlich nicht „Bio”-Sprit genannt werden dürfte, denn „Bio” heißt ja „Leben”.

Unsere Landeskirche hat übrigens eine klare Position zu dieser Frage. Wenn der Anbau von Kraftstoffpflanzen die Lebensgrundlage von Menschen gefährdet oder zerstört, ist dies aus christlicher Sicht nicht hinzunehmen. Also: Erntedank mit Freude und fröhlicher Verantwortung.

Dietrich Weinbrenner
Pfarrer im Amt für Mission, Ökumene und Kirchliche Weltverantwortung der EKvW

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