Gedanken im Februar & März

Gedanken im Februar & März

Liebe Leser*innen,

mein Wort hat jemand bewegt. Ich wurde gebeten, eines meiner Lieder, die ich zum Kindermusical „Ein Turm bis zum Himmel“ in den Herbstferien beigetragen habe, zum Thema der Kolumne „Ein Wort, das mich bewegt“ zu machen: Gottes Selfie.

Der Songtext behandelt einen scheinbaren Widerspruch zweier biblischer Aussagen. Eine der Kernaussagen der Turmbau-Geschichte ist, Menschen sollen nicht versuchen, zu sein wie Gott, denn das geht daneben. Krachend daneben, sozusagen. Also: Nicht sein wollen wie Gott. Denn das sind wir nicht.

Tja, und warum eigentlich nicht?, fragt aber jetzt das Kind zu Beginn des Songs. Und zitiert seinen weisen Großvater, der ihm die Schöpfungsgeschichte näher brachte: Gott schuf die Menschen nach seinem Bilde. Nachzulesen 1. Mose 1,27. Warum sind wir nicht wenigstens ein bisschen so wie er, fragt das Kind ganz unprovokativ weiter. Wir schauen mal rein:

Mein Opa sagt, in der Bibel steht,
Gott schuf die ganze Erde,
Die Nacht, die Sonne, Wasser, Land,
den Kaktus und die Pferde,
Am Schluss hat er den Mensch gemacht, als Mann und klar, als Frau,
Und dann steht da was Wichtiges,
Jetzt hör mal zu, genau:
Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde
Den Thorben, die Anna, mich und Oma Hilde,
Wenn das so war, frag ich mich, bitte sehr,
Sind wir dann nicht doch ein bisschen so wie er?

Im nächsten Teil des Liedes wird dem bestehenden Unterschied zwischen Gott und Mensch nachgegangen. Kernsatz ist wohl: „Dazu (um zu sein wie Gott) fehlt uns eine Dimension“. Welche, wissen wir nicht, da wir sie ja nicht haben. Allerdings ist der Bibeltext 1. Mose 1,27 durchaus gleichnishaft nützlich, wenn man das Bild vom Bilde mal wirklich ganz wörtlich nimmt. Wären wir Gottes „Bilder“, dann wären wir ja auch nur zweidimensional. Uns fehlte die Tiefe, der Raum, die dritte Dimension. Uns fehlte die Veränderung über die Zeit, wir wären nur Momentaufnahmen. Und uns fehlte das große ganze Drumherum, wir wären nur ein Ausschnitt. Wir würden mit der Zeit verblassen. Wären nur kopiert, mit Kopierfehlern. Falsch gespeichert wäre nicht mehr viel übrig von uns. Und so weiter. So frustrierend ist das eben, wenn man nur ein Bild ist. Übertragen auf uns stolze Dreidimensionale mit wenigstens zeitlich eingeschränkter Bewegungsfreiheit fühlen wir, dass diese uns unbekannte weitere vierte Gottesdimension schon ganz schön, sagen wir ruhig, mächtig sein muss. Wenn nicht sogar all-mächtig.

Schauen wir mal: (gerufen)
Sind wir nicht!

Ein Bild ist flach, begrenzt und matt,

Nie wirklich tief, viel eher platt,

Selbst digital und in 3D,

Es ist und bleibt ein Bild, o.k.?

Ein Bild verblasst, verschmiert mit Dreck

Und ohne Speichern ist’s schnell weg.

Beziehungsweise wird verstaut,

Ganz unsichtbar in einer Cloud.

Ein Bild ist nie die Ewigkeit,

Nur ein Moment, nur kurze Zeit,

Ist nur ein Ausschnitt, tut mir leid,

Ist nie die ganze Herrlichkeit.

Auch ist ein Bild nie Or’ginal,

Ist Abzug, niemals erste Wahl,

Wir passen nicht auf Gottes Thron.

Dazu fehlt uns ‘ne Dimension.

Im letzten Teil des Liedes (vom Arrangement etwas trotzig an „We are the Champions“ angelehnt“), wird aber nun gezeigt, das etwas von der fehlenden Dimension auch für uns Menschen durchaus erreichbar, spürbar sein kann. Notwendig dazu ist allerdings ein Konzept, ein Plan. Der weise Opa aus Teil eins (Mann von Oma Hilde), vergleicht es, um im Bild-Bild zu bleiben, mit dem ihm noch geläufigen „Malen nach Zahlen“.

Mein Opa sagt, dass es anders ist,

mehr wie „Malen nach Zahlen“:

Da sind ein Haufen Punkte nur

Auf dem Papier, dem kahlen,

Man sieht erst nicht, was das mal wird,

ob Flugzeug, Fahrrad, Maus,

Doch wenn man klug nach Zahlen malt,

Bekommt man’s ganz schnell raus.

Erst sieht man also nur einen Haufen ungeordneter Punkte (Pixel würde das Enkelkind sagen), folgt man aber dem Konzept, dem Plan, entsteht etwas Reales, Erkennbares, Geordnetes aus dem Chaos. Das Konzept ist Gottes Liebe (und deren Weitergabe), das Reale ist noch nicht erkennbar, versprüht aber immer einen Hauch dieser Dimension, die uns sonst unbegreiflich bleibt. Man erkennt sozusagen Gottes Selfie bei den Menschen. Irgendwie. Bei den Menschen übrigens, nicht dem einzelnen Menschen.

So sind wir Gottes Pixel nur,

Verteilt von Köln bis Laos,

Hier auf dem Erdball wild verstreut,

Ich glaub’, man nennt das Chaos,

Doch wenn die Liebe Linien zieht,

Und Menschen sich verstehen,

Da kann man ab und zu sogar,

Gottes Selfie sehen,

Da kann man ab und zu sogar,

Gottes Selfie sehen.

Soweit also der Text und ein paar Ausführungen dazu. Schön, dass es Wort wurde, dass jemanden bewegt hat

Ihr / euer Martin Speck

admin